»Sie ist eines Tages hier aufgetaucht wie es die Art der Meerjungfrauen ist. Hat sich einen Prinzen geschnappt. So sind sie halt, die Meerjungfrauen, wollen alles haben, was sie sehen, und wenn ihnen das schöne Leben an Land gefällt, dann werfen sie ihren Fischschwanz ab und bleiben einfach. Ein Zurück gibt es dann für sie allerdings nicht mehr.«
»Ein Prinz, soso … Und was ist das für ein Prinz?«
»Na, ein Prinz eben. Natürlich kein echter. Märchenprinzen sind nämlich ausgestorben. Vor langer Zeit schon. Aber das weiß ja jedes Kind.«
Ja, davon hatte er gehört.
»Aber sie kann die Männer noch immer ins Verderben ziehen!«, warnte Nora.
»Sicher.«
Welche Frau konnte das nicht?

Irland. Die Grüne Insel.

Ob das Gras in Irland tatsächlich grüner ist als anderswo, muss jeder für sich selbst herausfinden. Der klassische Irlandreisende beginnt seine Tour meist in Dublin und fährt von dort geradewegs Richtung Südwesten. Erstes Ziel ist Cork, die zweitgrößte Stadt im Land. Von dort arbeitet man sich dann weiter gen Norden, immer die Küste im Auge, und klappert die drei großen Halbinseln ab, die sich markant in den Atlantik schieben. Zuallererst Beara, touristisch noch nicht ganz so überlaufen wie die Iveragh-Halbinsel mit dem berühmten Ring of Kerry und der Touristenmetropole Killarney, als Letztes die Dingle-Halbinsel, Landschaft und Geschichte satt.

Man fährt weiter gen Norden, streift vielleicht Limerick auf dem Weg zu den Cliffs of Moher, wo man sich einreiht in die Schar der Schaulustigen, erst auf dem Parkplatz, dann auf den Klippen, um mit wohligem Schauder mehr als zweihundert Meter senkrecht in die Tiefe zu schauen. Vielleicht bleibt noch etwas Zeit für einen Abstecher nach Galway, aber spätestens hier geht es meistens auf direktem Weg zurück zur Ostküste, zurück nach Dublin.

Und man glaubt, Irland kennengelernt zu haben.

Irrtum.

Man hat bestenfalls die Hälfte der Insel kennengelernt.

Wenn man von Galway aus weiter gen Norden fährt, kommt man unweigerlich in die Connemara, ein karger Landstrich, der noch heute einen Eindruck vermittelt, was es im 17. Jahrhundert bedeutete, wenn Oliver Cromwell auf seinem Eroberungsfeldzug den Iren nur die Wahl ließ „To hell or to Connacht“. Brachliegende Kartoffelfelder, halb zwischen Felsen und Mooren versunken, ein paar windschiefe Katen hinter baufälligen Mauern, kaum ein Baum, der sich dem steten Wind vom Atlantik entgegenstemmt.

Je weiter man nach Norden kommt, desto lieblicher wird es. Mayo mit seiner verträumten Küste und seinen Inseln, die bekannteste Achill Island, wo Heinrich Böll in den Fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Seele baumeln ließ und sein ‚Irisches Tagebuch‘ schrieb. Sligo, dessen berühmter Sohn W.B. Yeats den Literatur-Nobelpreis nach Irland holte. Und schließlich Donegal mit seinen Klippen und einsamen Stränden, mit seinen graubraunen Hochmooren und wegelagernden Schafen.

Wohl dem, der eine Straßenkarte hat, die auch die gälischen Ortsschilder kennt. Wohl dem, der ein funktionierendes Handynetz hat. Wohl dem, der ein paar Brocken Irisch spricht.

Aber es gibt kaum einen Ort, wo man lieber verloren gehen möchte –

– es sei denn, man heißt Fin O’Malley…

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